Erkrankte Haut ver- bzw. enthüllend
Vor einigen Tagen wartete ich auf eine Bekannte im Foyer der Staatsoper. Es war noch etwas Zeit bis zum Beginn der Ballett-Vorstellung. Er herrschte ein buntes Treiben im Foyer. Leute, die sich herzten und freuten, einander zu sehen. Leute, die sich kleidungstechnisch sehr zur Schau stellten und damit derart beschäftigt waren, sodass sie ihrer Begleitung kaum zuhören konnten. Leute, die das erste Mal die Staatsoper betraten und kaum aus dem Staunen herauskamen. Familien, Pärchen, Bekannte, Einzelgänger/besucher, alle waren sie vertreten und warteten auf den Einlass zur Ballettveranstaltung. Meine Bekannte betrat das Foyer und äußerte kess: „Mensch, was man hier alles sehen kann, wie in einem Zoo…vom Flamingo bis zum Faultier.“ Ich kannte natürlich schon den Humor meiner Bekannten und kam ins Schmunzeln. Mir jedoch gefiel, wie die Menschen zu all ihren Ecken und Kanten standen und sich entsprechend „herausgeputzt“ hatten, ohne sich selbst zu verbergen.
Schönheit im wissenschaftlichen Fokus
Fragt man
sich, wie Schönheit eigentlich definiert wird, so kann man zwei Wege
einschlagen. Karl Grammer beschreibt in seinem Buch „Signale der Liebe -
Die biologischen Gesetze der Partnerschaft“ diesbezüglich „ein
Spannungsfeld, dass sich zwischen Durchschnitt und extremen Merkmalen
andererseits bewegt“. Damit unterscheidet er zwischen der
„Orientierung am Extremmerkmal oder am Durchschnitt“. Ein seltenes
Merkmal könnte zum Kriterium der Partnerwahl werden, gerade weil es so
rar vorhanden ist. Ein durchschnittlich attraktiver Partner könnte
wiederum als attraktiv gelten, weil im Rahmen der stabilisierenden
Selektion die Wahrscheinlichkeit minimiert wird, dass abweichende und
für das Überleben problematische Merkmale auftreten.
Für
Untersuchungen erstellte man auf digitalem Wege sogenannte
Gesichtsprototypen, die aus der Mittelung vieler individueller
Gesichter-Fotos entstanden. Versuchspersonen sollten dann die
Attraktivität der Gesichter auf den Original-Einzelfotos und auf den
digital hergestellten Durchschnittfotos beurteilen. Die
Studienergebnisse von Kalkofen et al. (1990) bestätigten, dass
Durchschnittsfotos als attraktiver bewertet wurden als die Einzelfotos.
Grammer
und Thornhill differenzierten 1993 infolge weiter anhand des
Geschlechts. Demnach wurden Durchschnittsfotos von Frauengesichtern
überzufällig häufig als attraktiver bewertet als Gesichter auf
Einzelbildern. Bei Männern jedoch bestätigte sich dieser Befund nicht.
Man folgerte, dass gerade bei der Bewertung der Attraktivität von
männlichen Gesichtern Extremmerkmale eine bedeutsame Rolle spielen
könnten. „Ein breites Kinn“ könnte also einem Mann „Individualität“ und
somit Attraktivität verschaffen.
Hübsch oder schön – im alltagspsychologischen Fokus
Vor
einiger Zeit diskutierten Männer und Frauen auf einer Party, auf der
ich zu Gast war, den Unterschied zwischen „Hübsch- und Schönsein“.
Hübsch wäre vor allem eine Person, die einem Modell gleiche, aber dies
würde ja noch nichts über die Person und deren Persönlichkeit aussagen.
Schön wäre eine Person, die auch von innen heraus strahle, selbst wenn
diese nicht dem durchschnittlichen Schönheitsideal entsprechen würde.
Hier seien vor allem die Ecken und Kanten interessant, gerade weil sie
den Menschen einzigartig „machen“ würden. Auf die Frage, mit wem man
ausgehen würde, wenn man die die Wahl hätte, entschied sich der größte
Teil für die als schön bzw. „eckig und kantig“ bewertete Person.
Subjektivität, Objektivität und die Wahl der Wahl eines jeden Menschen
Thukydides
sagte einst: „Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“ Damit betont er
die Subjektivität in der Bewertung von Schönheit. Gerade dann, wenn man
an einer chronischen Hauterkrankung wie Rosazea, Vitiligo oder
Neurodermitis leidet, gibt es immer wieder Phasen im eigenen Leben, in
denen man sich in einer eigenen Haut unwohl, unschön oder „anders“
vorkommt. Viele Verbrennungsopfer fühlen sich regelrecht entstellt. Für
jeden von uns völlig nachvollziehbar. Immer wieder tritt die Frage auf,
wie man mit der andersartigen eigenen Haut zu Hause und in der
Öffentlichkeit umgehen sollte. Man möchte nicht immer wieder beobachtet
werden, denn so fühlt man sich zumindest oft als Betroffener, man möchte
nicht mitleidig angeschaut werden, man möchte am liebsten so sein wie
der Durchschnitt, denn Hauterkrankungen werden ja nicht als attraktive
Einzelmerkmale in der Partnerwahl eingeschätzt im Kontrast z.B. zum
bereits erwähnten breiten Kinn des Mannes.
Nun kann man so gut wie
gar nicht das Verhalten der anderen Menschen verändern, höchstens in dem
man selbst Impulse in seinem eigenen Verhalten setzt, die infolge das
Verhalten der anderen beeinflussen könnten, indem man selbst mit seiner
eigenen Hauterkrankung konstruktiv umgeht.
Beobachtet man
Hautbetroffene in der Öffentlichkeit, so gehen viele ganz bewusst mit
der Andersartigkeit ihrer Haut um, gerade an hautbelastenden Tagen. Ich
sprach mit einer jungen Frau, die einen schönen Jeans-Overall trug und
damit geschickt die Rötung ihrer Haut im Neurodermitis-Schub kaschierte.
Sie schilderte, dass Farben wie Rot in ihrer Kleidung die Rötung
nur noch mehr betonen würden. Eine von Vitiligo Betroffene im
Rentenalter erzählte mir, dass ihr Make-up gerade an „hautschwierigen“
Tagen in der Öffentlichkeit helfe, unbeschwerter zu sein und für ein
paar Stunden die Belastung einfach zu vergessen. Eine Rosazea-Betroffene
teilte mir mit, dass sie immer dann ihr Lieblingsoutfit trage, wenn
ihre Haut nicht so wolle wie sie.
Alle drei Betroffenen machen auf
ihre persönliche Weise deutlich, ihre Erkrankung als zu ihnen gehörig
angenommen und gleichsam das Beste daraus „gemacht“ zu haben. Die
Älteste von ihnen erzählte humorvoll, sie wolle sich nicht verhüllen wie
der Reichstag, sie sei zwar schon ein älteres Modell und es habe sie
nie ohne Ecken und Kanten an ihrer Haut gegeben. Sie sei aber mehr als
einfach nur ihre Haut, und je älter sie werde, desto mehr schmücke sie
sich wie ein Tannenbaum. Nicht für andere, sondern nur für sich, um sich
selbst wohl zu fühlen. Denn sie habe nur dieses eine Leben.
Dipl.-Psych. Sonja Dargatz