Heat Shock Protein 70
Aufgrund zahlreicher Nachfragen und Kommentare der DVV-Mitglieder zum
Thema Heat-Shock Protein 70 (HSP70) und Vitiligo haben wir Frau
Priv.-Doz. Dr. med. Ina Hadshiew, Köln, gebeten, uns einen kurzen
Überblick zu diesem Thema zu geben. Dieser beruht lt. Autorinnenaussage
auf den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft und den Daten der
Originalarbeit von: Mosenson, Eby, Hernandez und Le Poole: A central
role for inducible heat-shock protein 70 in autoimmune Vitiligo,
publiziert im Journal:
Experimental Dermatology, Volume 22, Issue 9, p 566–569, September 2013.
Zusammenfassung
Das
induzierbare heat-shock protein 70 (HSP70i) ist ein Protein, das durch
Stress reguliert wird und Zellen davor schützt einen programmierten
Zelltod (Apoptose) einzuleiten.
Diese Art von Proteinen wurde
während der Evolution extrem gut konserviert, und daher eignen sie sich
hervorragend dazu, die Verbindungen zwischen Infektion und Immunität
näher zu beleuchten.
Sind diese Stress Proteine vorhanden, erkennen
besondere Immunzellen, die sogenannten dendritischen Zellen (DC), dieses
Alarmsignal und antworten darauf, indem sie verschiedene andere
Immunzellen an den Ort des Geschehens rekrutieren.
Melanozyten
schütten bei Stress Antigen-gebundenes HSP70i aus, das dann ebenfalls
als Alarmsignal zur Aktivierung der DC führt. Da der Ursprung dieses
Signals die Melanozyten sind, richtet sich die anschließende
Immunantwort dann auch gegen die Melanozyten und treibt so die
Autoimmunantwort bei Vitiligo an.
Die Blockierung dieses Stress
Proteins (HSP70i) könnte die Aktivierung der DC verhindern und
möglicherweise neue Behandlungsmöglichkeiten der Vitiligo aufzeigen.
Vitiligo ist eine Organ-spezifische Autoimmunerkrankung der Haut
Vitiligo
ist eine Hauterkrankung, die zur fortschreitenden Depigmentierung der
Haut führt und ca. 0.5% der Weltbevölkerung betrifft.
Die
Depigmentierung beruht auf einem Verlust der Melanozyten in der
Epidermis. Ursächlich hierfür sind u.a. Störungen der Immunfunktion; so
werden z.B. Infiltrate von T-Lymphozyten in perilesionaler Haut (also
gesunde Haut, die die Vitiligoherde umgibt) bei aktiver Vitiligo
gefunden, ebenso wie zytotoxische T-Zellen, die gegen Melanozyten
gerichtet sind. Daher ist die Fehlregulation der T-Lymphozyten ein
wichtiger pathogenetischer, für die Krankheitsentstehung wichtiger,
Faktor bei der Vitiligo.
Weitere Störungen liegen in Veränderungen
von Zellorganellen, wie z.B. den Mitochondrien (den ‚Kraftwerken‘ der
Zelle) oder Melanosomen (kleinen ‚Tröpfchen‘ (membran-umhüllten
Zellorganellen) im Melanozyten, die Pigment enthalten), die
möglicherweise dazu führen, dass diese Zellen besonders empfindlich auf
Stress reagieren.
Häufig geben Patienten Stress als auslösenden
Faktor Ihrer Vitiligo an; hierzu gehören, mechanische Verletzungen,
UV-Exposition, Bleichmittel, wie Phenole, aber auch emotionaler Stress.
All dies kann in der Haut oxidativen Stress auslösen. Hierauf zielt auch
die Therapie mit Pseudokatalase ab, einem antioxidativen Enzym. Die
Interleukine IL-6 und IL-8 werden von Melanozyten unter Stress vermehrt
exspiriert (ausgeschüttet), was zu einer Entzündungsreaktion führt, und
T-Zellen anlockt. Somit scheint Vitiligo in der Tat eine
Stress-induzierte T-Zellen vermittelte Autoimmunerkrankung zu sein.
Die Immunantwort bei Vitiligo ist ein Spiegelbild jener Immunantwort beim Malignem Melanom
Antigene
(Proteine auf der Oberfläche von Zellen), die auch bei der Vitiligo
involviert sind, sind Zielstrukturen für T-Zellen (Immunzellen), die
Melanome angreifen können. Diese Antigene werden hauptsächlich in
Melanosomen exprimiert.
Die Ähnlichkeit der Immunreaktion bei
Vitiligo und Melanom, wird weiter durch die Tatsache gestützt, dass
Melanompatienten, die eine nachweisbare Immunantwort auf ihr Melanom
zeigen, häufig auch ein Leukoderm, also depigmentierte (helle)
Hautareale entwickeln. Dies gilt als positiver prognostischer Faktor!
Leider reicht die Immunantwort jedoch meist nicht aus, um das Melanom zu
beseitigen, während eine fortgesetzte Immunreaktion auf die gleichen
Antigene bei Vitiligo zum Fortschreiten der Erkrankung führt. Der
Unterschied liegt jedoch hierbei in regulatorischen T-Lymphozyten, die
bei Vitiligo fehlen, während sie beim Melanom in großer Zahl vorkommen.
Therapieansätze
zur Stärkung der Immunantwort gegen Melanomzellen, die sich in der
Entwicklung befinden, nutzen Vakzine, die mit HSP70 fusioniert sind.
Das induzierbare heat-shock protein 70 (HSP70i) kann eine Immunantwort auslösen.
Zellen,
die Stress ausgesetzt sind, stoppen die normale Produktion von
Proteinen, damit sie vermehrt heat-shock Proteine herstellen können. In
der Zelle binden diese Stress Proteine dann an andere Proteine, die
normalerweise Apoptose (zellulären programmierten Zelltod) verhindern.
Dies gilt auch bei Vitiligo.
Und es gibt noch ein paar weitere
Besonderheiten: HSP70i stimuliert die Proliferation (Wachstum) und
Zytotoxizität (Aggressivität andere Zellen zu töten) weiterer
Immunzellen. Hierdurch wird die Toleranz durchbrochen und eine
Autoimmunantwort ausgelöst, die bei Mäusen zum Untergang von Gewebe
führt.
Ob HSP70 tatsächlich eine ursächliche Rolle bei der
Entstehung von Autoimmunerkrankungen spielt, wird jedoch weiter
kontrovers diskutiert.
Interessanterweise findet sich eine erhöhte Expression von HSP70 auf zirkulierenden Lymphozyten bei Vitiligo Patienten.
HSP70
induziertes Abtöten von Melanozyten löst ein immunologisches Gedächtnis
gegen Tumorzellen aus und stimuliert Autoimmunreaktionen gegen
Melanozyten. Dies wird ausgenutzt, um Antitumor Vakzine herzustellen.
HSP70 ist an der Verteilung und am Abbau von Proteinen in Lysosomen beteiligt und schützt Lysosomen vor oxidativem Stress.
Die HSP70er sind eine komplexe Familie von Proteinen, die den Zellhaushalt beeinflussen.
HSP70 ist der wichtigste Akteur bei Antitumor Vakzinen und bei der Behandlung von Autoimmun-Krankheiten.
HSP70i-Antigen Fusionsproteine wurden bereits als Melanomvakzine benutzt.
Es
existiert eine spannende Verbindung zwischen Antitumor Immunität beim
Melanom und Autoimmunität bei Vitiligo: Während Patienten mit Melanom
von der Verstärkung der Antitumor-Immunität durch HSP70 beim Melanom
profitieren, könnte die Blockierung von HSP70 den Teufelskreis der
Autoimmunreaktion bei Vitiligo unterbrechen.
Überexpression von HSP70i führt zu einem schnelleren Fortschreiten der Vitiligo.
Zu
Vitiligo-neigende Mäuse, mit einem transgenen (veränderten) T-Zell
Rezeptor, wurden mit HSP70i DNA vakziniert, um zu zeigen, dass dieses
Stress-Protein allein ausreichte, um Vitiligo auszulösen; bei HSP70i
knockout Mäusen hingegen konnte keine Vitiligo ausgelöst werden.
Als
nächstes wurde die molekulare Region identifiziert, die verantwortlich
für die Aktivierung von DC ist. Ziel war es, diese dann zu blockieren,
um so möglicherweise ein Fortschreiten der Vitiligo zu verhindern.
Mutierte
HSP70iQ435A kodierende DNA war in der Lage, den inflammatorischen
(entzündlichen) Phänotyp von DC rückgängig zu machen, das Einwandern von
Melanozyten angreifender T-Zellen in die Haut zu unterbinden und somit
eine Depigmentierung zu verhindern.
Es stellen sich somit die Fragen:
• Können Menschen mit einer solchen DNA Vakzine, die in die Haut verabreicht wird, behandelt werden?
• Würde dies die Entwicklung anderer Autoimmunerkrankungen oder Krebs beeinflussen?
Insgesamt
ist der Versuch des Angriffs auf HSP70i vielversprechend für die
Therapie von Vitiligo. Mutiertes HSP70iQ435A war in der Lage die
Entstehung von Vitiligo zu verhindern und bereits bestehende
Depigmentierungen, im Maus-Modell, rückgängig zu machen.
Weitere
Studien sind erforderlich, um herauszufinden, wie diese Erkenntnisse im
Rahmen von klinischen Studien umgesetzt werden können, um die Sicherheit
und Effektivität einer solchen Therapie mit mutiertem HSP70 bei
Vitiligo Patienten zu testen.
Autorin: PD Dr. med. Ina Hadshiew, Köln
Wenn
Sie Verständnisfragen an Frau Dr. Hadshiew haben, stellen Sie, diese
bitte - möglichst per E-Mail - an die DVV Geschäftsstelle: info@vitiligo-verein.de