Interview mit Dr. Yaguboglu

Im Rahmen der Interviewreihe „Praxisgespräche“ wird das Gespräch zwischen dem Deutschen Vitiligo Verein e.V. (DVV) und niedergelassenen Dermatologen gesucht, um Vitiligo-Betroffene über Behandler, ihr Vitiligo-Verständnis, ihre Behandlungsschwerpunkte etc. zu informieren.
Zugrunde liegt diesem Konzept des DVV, dass Betroffene den Kontakt zum Verein suchen, um in Erfahrung zu bringen, welche niedergelassene Hautarztpraxis engagiert Vitiligo-Patienten behandelt. Gerade weil in Deutschland etwa 1,5 Mio Menschen von dieser chronischen Hauterkrankung betroffen sind, ist es für Betroffene wichtig, in Erfahrung zu bringen, bei wem sie in guten Händen sein werden. Immer wieder beklagen Betroffene, sich bei ihrem bisherigen Behandler nicht gut aufgehoben zu fühlen, weil dieser aus ihrer Sicht nicht ausreichend auf die Bedürfnisse und Ängste eines Vitiligopatienten eingeht. Dass es aber durchaus auch Behandler gibt, die über mehr anwendbare Informationen zur Behandlung der Vitiligo verfügen und damit bei diesem Hautproblem vielleicht auch engagierter sind, soll hier auch deutlich gemacht werden.
In dieser Interviewreihe wird auch Wert darauf gelegt, dass Fachbegriffe zum besseren Verständnis für Betroffene erläutert werden.

vitiligo information: Hallo Dr. Yaguboglu, Sie sind Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und am Internationalen Hautzentrum DermAllegra in Pommelsbrunn / Hohenstadt in der Metropolregion Nürnberg tätig.
Auf welche Behandlungsgebiete ist dieses Hautzentrum spezialisiert? Wieviel Prozent Ihrer Patienten sind von Vitiligo betroffen? Behandeln Sie auch Kinder, die von Vitiligo betroffen sind? Stammen die von Ihnen behandelten, von Vitiligo betroffenen Patienten lediglich aus dem Einzugsgebiet von Pommelsbrunn – oder nehmen die Betroffenen auch weitere Wege in Kauf, um bei Ihnen dermatologisch behandelt zu werden? Wenn ja, was meinen Sie warum?

Dr. Yaguboglu: Das Fach Dermatologie erlebte in den letzten Jahren einen massiven Aufschwung, von Hauttumoren bis Ästhetik. Neue Forschungsergebnisse geben Anlass zur Hoffnung bezüglich bisher kaum heilbarer bösartiger Hauttumoren. Die ästhetische Dermatologie hat sich mit ihren Innovationen als unverzichtbarer Bestandteil des Faches etabliert. Unser Zentrum setzt gleich mehrere Behandlungsschwerpunkte, wie zum Beispiel Hautkrebsfrüherkennung mit Ganzkörper-Bodymapping und digitaler Videodermatoskopie, operative Maßnahmen unter anderem bei Hauttumoren einschl. der photodynamischen Therapie, Laserdermatologie, Kinderdermatologie, verfeinerte allergologische Diagnostik, minimal-invasive Therapie des eingewachsenen Zehennagels, Nagelpilzkonzept, extremes Schwitzen in den Achselhöhlen, chronisch-entzündliche Hauterkrankungen wie Neurodermitis und Schuppenflechte einschl. der Berücksichtigung Komorbiditäten wie hoher Blutdruck, Herz-Kreislaufkrankheiten, Zuckerkrankheit, Übergewicht, hohe Blutfette, psychologische Faktoren, Darmerkrankungen.  In den letzten Jahren hat sich ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal herauskristallisiert, das ist die orthomolekulare Medizin.

Wir sind bestrebt, jedes Krankheitsbild genau zu analysieren, um den Ursachen der Erkrankungen auf den Grund zu gehen. Das betrifft selbstverständlich auch die Vitiligo. Darauf basiert ein gezieltes, individuelles Behandlungskonzept, welches zur Steigerung der Lebensqualität beiträgt.  Zusammenfassend ist eine Ursachenanalyse und die Erstellung eines individuellen Behandlungsplans sind integrale Bestandteile unseres Konzepts bei Vitiligo. Etwa 5% unserer Patienten sind von Vitiligo betroffen. Davon ist etwa jeder zehnte Patient ein Kind.

Wir wollen mit unserem Internationalen Zentrum eine Lücke schließen, denn die Versorgung der Patienten mit Weißfleckenkrankheit ist weltweit nicht optimal. Oft wird den Patienten gesagt: „Die Flecken wären ja nicht so schlimm. Da kann man nichts machen.“ Dabei stimmt dies nicht.  Es gibt immer Möglichkeiten, den Betroffenen zu helfen. Viele Betroffene trauen sich im Sommer gar nicht ins Schwimmbad oder eine kurze Hose zu tragen, oder sie verstecken ihre Hände unter dem Tisch oder in den Achselhöhlen.

Viele Patienten nehmen lange Anfahrtswege in Kauf, um zu unserem Zentrum zu kommen. Denn der Leidensdruck ist groß.  Vor diesem Hintergrund betreuen wir Patienten aus ganz Deutschland und dem Ausland.

Den Patienten stehen sämtliche Diagnostik- und Behandlungsmethoden im Rahmen unseres umfassenden Vitiligokonzepts zur Verfügung. Auf der Basis spezifischer Blutuntersuchungen klären wir mögliche Auslöser der Erkrankung ab.

vitiligo information: Wie kam es dazu, dass Sie sich als Arzt gerade auf Hauterkrankungen spezialisiert haben? Wie gelang die Erkrankung Vitiligo in den Fokus Ihrer Arbeit?

Dr. Yaguboglu: Wie oben erwähnt, entwickelt sich das Fach Dermatologie rasant, hat ein breites Spektrum und man kann viel operieren. Das hat mich dazu geführt, Dermatologe zu werden. Meine Facharztausbildung habe ich an der Universitäts-Hautklinik Lübeck absolviert. In den folgenden Jahren habe ich gemeinsam mit meinem Praxispartner, Herrn Professor Amon, diese Versorgungslücke bei Vitiligo gesehen. Die Sprüche „was hast du denn da?“ oder „man kann nichts dagegen tun“, die wir von Betroffenen gehört haben haben uns weiter motiviert, diese Lücke zu schließen.

vitiligo information: Viele Facharztzentren beteiligen sich heutzutage mit ihrer Arbeit auch an Forschungsarbeiten und kooperieren beispielsweise mit Universitäten, gerade im humanmedizinischen Bereich. In wieweit kooperiert das Hautzentrum DermAllegra mit Forschungszentren?

Dr. Yaguboglu: Wir sind ein international anerkanntes Zentrum für klinische Studien und führen regelmäßig  internationale und nationale klinische Studien (z.B. aktuell bei Psoriasis) durch,  um neue oder bereits zugelassene Medikamente auf ihre Dosierung, Wirksamkeit und Verträglichkeit zu überprüfen. Damit können wissenschaftliche Fragestellungen beantwortet und die medizinische Behandlung der Patienten verbessert werden. Diese Studien werden intensiv von den Behörden überwacht und nach den international geltenden Standards durchgeführt.

vitiligo information: In Hautzentrum DermAllegra werden laut Informationen der Website www.dermallegra.de Vitiligo Betroffene auf verschiedenen Wegen behandelt. Wie häufig leiden Ihre Vitiligo-Patienten auch an Stoffwechsel- bzw. Autoimmunerkrankungen? Diese Informationen spielen ja gerade im Rahmen der Diagnosestellung eine wichtige Rolle.

Dr. Yaguboglu: Etwa 30% der Patienten haben eine begleitende Autoimmunerkrankung, wie z.B. Hashimoto-Thyreoiditis. Sehr häufig sehen wir einen schweren Vitamin D3-Mangel.

vitiligo information: Sie behandeln mit Lichttherapie und 308 nm Excimer Laser *. Als Betroffener ist es wichtig zu erfahren, wann welche dieser Therapien erfolgversprechend ist. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie als Facharzt, welche dieser Therapien eingesetzt werden sollte?

Dr. Yaguboglu: Die Lichttherapie ist seit langem als wirkungsvolle Behandlungsmethode in der Therapie der Vitiligo bekannt. Trotz der krankheitsbedingten Zerstörung sind bei den meisten Vitiligopatienten in den Haarwurzeln noch Pigmentzellen vorhanden. Diese werden durch Licht dazu angeregt, zu wachsen und in die depigmentierte Haut einzusprossen. Bei der UV-Lichttherapie kommt die sog. Schmalband-UVB-Therapie mit einer Wellenlänge von 311 nm als erste Wahl zur Anwendung. Der energiereiche Excimer-Laser, der UV-Licht der Wellenlänge von 308 nm erzeugt, wird vor allem zur Behandlung von einzelnen und kleinflächigeren Flecken eingesetzt.


vitiligo information: Auf der Website wird als Information angegeben, dass auch spezifische äußerliche Behandlungen bei Vitiligo angewandt werden. Welche Behandlungen kommen diesbezüglich in Frage?

Dr. Yaguboglu: Die Katalase, ein Enzym, das Sauerstoffradikale entgiftet, ist in den weißen Flecken nicht mehr voll aktiv. Daher reichern sich die Radikale, allen voran das Wasserstoffsuperoxid (H2O2), in der Oberhaut an und begünstigen die Zerstörung der Melanozyten. Das Ergebnis: Die Konzentration des reaktiven Sauerstoffmoleküls Wasserstoffperoxid (H2O2) steigt. H2O2 hemmt die Bildung des Hautfarbstoffs Melanin und trägt zur Zerstörung der Melanozyten (Pigmentzellen) bei. Es entsteht der oxidative Stress. Im Endeffekt speichern sich beim oxidativen Stress die Radikale, allen voran Wasserstoffsuperoxid (H2O2), in der Oberhaut an und begünstigen die Zerstörung der Pigmentzellen. In diesem Zusammenhang werden Gels mit einem hochkonzentrierten Melonen-Extrakt basierend auf dem antioxidativen Prinzip mit Katalase und Superoxisdismutase (SOD) angewendet. Wichtig ist dabei, dass auch spezifische antioxidative Mikronährstoffe als Nahrungsergänzungsmittel gegeben werden.
Ansonsten werden topische Immunmodulatoren (Calcineurin-Inhibitoren) appliziert. Diese eigentlich für Neurodermitis zugelassenen Substanzen in Form einer Salbe und Creme (Tacrolimus und Pimecrolimus) zeigen besonders im Gesichts- und Halsbereich gute Effekte. Durch zusätzliche Verpackung zum Beispiel mit Frischhaltefolie wird versucht, die Wirkung auch in anderen Körperregionen zu steigern.

vitiligo information: Es wird weiter beschrieben, dass auch IPL, also Intense Pulsed Light, eingesetzt wird. Würden Sie uns dieses Verfahren genauer schildern, und vor allem auch, wann es Sinn macht, dieses einzusetzen bei Vitiligo-Betroffenen?

Dr. Yaguboglu: Es gibt außer 308 nm Excimer weitere gezielte UVB-/IPL-Therapien zum Beispiel mittels Micro-Phototherapie (Schmalspektrum UVB mit fokussiertem Strahl) und IPL (Intense Pulsed Light) hochenergetische Blitzlampe 290-320 nm.
Diese Methoden haben wir in unserem Zentrum nicht eingeführt, da wir mit unserer 308 nm Excimer-Therapie seit Jahren gute Erfahrungen gesammelt haben.

vitiligo information: Sie arbeiten im Hautzentrum auch mit Pigmentzelltransplantation; einem Verfahren, das auch als „Haut zum Sprühen“ ** bezeichnet wird. In welchen Hautarealen entnehmen Sie den Betroffenen Haut für diese Transplantation? An welchen Hautarealen wird die Haut aufgetragen? Wie sehen die Erfolge aus? Wo sollte man transplantieren, wo nicht?

Dr. Yaguboglu: Wir führen diese Methode seit 2005 durch und haben inzwischen große Fortschritte in der Behandlung der Vitiligo mit der Pigmentzelltransplantation erzielt. Dieses Verfahren wurde ursprünglich zur Behandlung von Verbrennungen, Narben und zur Verbesserung der Wundheilung in Australien entwickelt und kommt auch erfolgreich bei stabiler Vitiligo zur Anwendung. 
Bei dieser Therapie wird eine sehr dünne Hautschicht aus einem gesunden Areal (z.B. seitlich am Gesäß) unter örtlicher Betäubung entnommen. Direkt im Operationsraum werden innerhalb von etwa zwei Stunden aus diesem Hautstück unter anderem Pigmentzellen (Melanozyten) gewonnen. Gleichzeitig wird die oberste Hautschicht der zu behandelnden Vitiligoareale mittels Laser sanft abgetragen. Im Anschluss wird die verarbeitete Pigmentzell-Lösung auf diese Stellen aufgetragen und mittels Spezialverband für wenige Tage ruhig gestellt. Beim nächsten Arzttermin wird dieser Verband vorsichtig entfernt. Die Behandlung ist für die Patienten wenig belastend und wird ambulant durchgeführt. Innerhalb einiger Wochen ist in meisten Fällen eine erste Braunfärbung (Repigmentierung) in den betroffenen Hautarealen zu erkennen.  Das Ergebnis stabilisiert und verbessert sich bei den meisten Patienten im Laufe der Zeit. Damit die neuen Pigmentzellen den braunen Farbstoff jetzt möglichst zügig bilden, empfiehlt es sich, mehrmals pro Woche eine UVB 311 nm-Bestrahlung durchzuführen. Nach drei bis sechs Monaten entwickeln sich im Allgemeinen sichtbare Pigmente. Alternativ kommt  der Excimer-Laser nach der Operation zur Anwendung.
Das Verfahren kommt sowohl für die Stellen im Gesicht als auch am Hals, an den Armen, Beinen oder am Rumpf in Frage. Die zu behandelnden Areale können unterschiedlich groß sein. Die Pigmentzelltransplantation eignet sich für alle Patienten mit einer sogenannten stabilen Vitiligo. Das bedeutet: Die weißen Stellen sollten sich seit mindestens sechs, lieber seit zwölf Monaten nicht mehr in Größe oder Form verändert haben. 
Wir sind gewissermaßen stolz darauf, als eines der wenigen Zentren in Europa, dieses Verfahren für unsere Vitiligo-Patienten einsetzen zu können. Die Ergebnisse und Verlaufsbeobachtungen sind sehr ermutigend. Im ZDF, WDR und BR wurde bereits darüber berichtet.


vitiligo information: Behandeln Sie im Hautzentrum Kassen- und Privatpatienten? Welche der von Ihnen angewandten Vitiligo-Therapien wird auch von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt? Mit welchen Kosten müssen Betroffene rechnen bei den verschiedenen Therapien im Hautzentrum, wenn diese nicht von den Kostenträgern übernommen werden?

Dr. Yaguboglu: Unser Zentrum hat keine Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen. Das heißt, dass wir eine Privatpraxis sind und die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen nicht übernommen werden. Ein Großteil unserer Patienten ist jedoch gesetzlich versichert. Die Abrechnung erfolgt immer, auch bei gesetzlich versicherten Patienten,  privatärztlich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) gegen Rechnung.

vitiligo information: Dass es sich bei Vitiligo um eine chronische Erkrankung handelt, ist für viele Vitiligo-Betroffene sehr schwer zu akzeptieren. Wie begleiten Sie Ihre Patienten in dieser Situation?

Dr. Yaguboglu: Wir führen sehr lange Gespräche und versuchen, klar zu machen, dass man mit der Erkrankung richtig umgehen muss, wenn man einen Erfolg erreichen möchte. Zusätzlich versuchen wir, unsere in letzten Jahren gewonnenen - für uns als Hautärzte sehr motivierenden - Erkenntnisse an die Betroffenen weiterzugeben. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse werden immer wieder geprüft und bei Aussicht auf Erfolg in die Behandlung einbezogen.

vitiligo information: Sehr geehrter Herr Dr. Yaguboglu, wir danken Ihnen für die interessanten Antworten und für die Zeit, die Sie sich für unsere Mitglieder genommen haben.

Dr. (Univ. Istanbul) Raul Yaguboglu im Gespräch mit Dipl.-Psych. Sonja Dargatz, Vorstandsmitglied im DVV. Erschienen in vitiligo-information 4-14, Mitgliedermagazin vom Deutschen Vitiligo Verein e.V.




* Excimer Laser 308 nm. Siehe auch passwortgeschützter Mitgliederbereich
www.vitiligo-verein.de  > vitiligo information 1-2006, S. 4 ff

 ** Haut zum Sprühen. Siehe auch passwortgeschützter Mitgliederbereich
www.vitiligo-verein.de  > vitiligo information 1--2006, S.13

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