Stationäre Rehabilitation
Werfen wir einen kurzen Blick in die aktuelle Fernsehlandschaft…Dann
entdecken wir ganz unterschiedliche TV-Formate, die einen Vorher- und
Nachher-Vergleich ermöglichen…Menschen werden umgestylt, Kleiderschränke
auf den Kopf gestellt, ganze Häuser umgebaut etc… Der Zuschauer wird
dabei auf eine digitale Reise mitgenommen in das Mögliche, Bessere,
Schönere, was das Aussehen von Menschen oder Häusern betrifft. Das ist
das Faszinierende an diesen Sendungen. Eine ähnliche Faszination erlebt
man als Außenstehender, wenn Menschen von einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme nach Hause kehren. Gerade chronisch
Hauterkrankte sind nach außen von ihrer Erkrankung gekennzeichnet, wenn
sie eine Reha-Maßnahme beginnen. Drei bis fünf Wochen später zeigt sich
eine deutliche Veränderung im Hautbild, im Leidensdruck und im eigenen
Gesundheitsmanagement.
Wie gelingt das einer dermatologischen Reha-Klinik?
Die
Asklepios Nordseeklinik liegt am Rande von Westerland, die sog.
Therapiedüne trennt die Klinik und den Strand, sodass nur ein kurzer
Fußweg direkt zur Nordsee-Brandung führt. Chronisch Hauterkrankten
ermöglicht die Nordseeklinik sowohl Akutbehandlungen im Krankenhaus als
auch Rehabilitationsbehandlungen. Auf Antrag ist auch eine
Rehabilitationsbehandlung in unmittelbarer Folge auf die
Krankenhausbehandlung möglich (sog. Eiltheilverfahren).
Während es
für Betroffene mit Neurodermitis oder Psoriasis bekannt ist, stationäre
Rehabilitationsleistungen beantragen und in Anspruch nehmen zu können,
ist dies für Vitiligo- oder Rosazea-Betroffene bisher weniger gängig,
noch viel zu oft werden diese Erkrankungen als kosmetische Probleme
abgetan. Die deutsche Vitiligo Leitlinie ist noch nicht veröffentlicht,
in der deutschen Rosazea Leitlinie werden derzeit weder psychologische
Hilfen noch stationäre Rehabilitationsleistungen erwähnt. In der Regel
kommt deshalb der Rosazea- oder Vitiligo-Betroffene zur stationären
Rehabilitation, indem im Reha-Antrag eine andere Erstdiagnose (z.B.
Atemwegserkrankungen, orthopädische Erkrankungen etc.) gestellt und die
Hauterkrankung als Zweitdiagnose angegeben wird.
Unabhängig
davon, ob der Betroffene nun an Neurodermitis, Rosazea oder Vitiligo
leidet, profitieren doch alle vom Reizklima, das am Standort der
Nordseeklinik vorliegt. Die hauseigene Pollenfalle auf dem Dach des
Gartenhauses ermöglicht, den Gehalt von Pollen oder Sporen in der Luft
genauestens zu erfassen, und verdeutlicht, dass die Nordseeklinik in
einem Gebiet angesiedelt ist, das kaum Schadstoffe oder Allergene
aufweist. Von der natürlichen Balneo-Photo-Therapie auf der Therapiedüne
profitieren vor allem die Neurodermitiker. Vom Sport und Spaziergängen
am Strand profitieren auch die Rosazea- und Vitiligo-Betroffenen, denn
für diese erweist sich das Reizklima als Trainingslager für ihre Haut,
gerade im Hinblick auf den Umgang mit Sonne. Betroffene schildern immer
wieder ihre Sorge, ihrer betroffenen Haut zu viel Reizklima zuzumuten.
Gerade deshalb stellen für Rosazea- und Vitiligo-Betroffene das Frühjahr
und der Herbst sichere Zeitfenster für eine stationäre Rehabilitation
dar.
Im Rahmen der medizinischen Hautbehandlung sind sowohl
Allergie- als auch Funktionstestungen möglich. Der Betroffene erfährt
also über Messungen an seiner Gesichtshaut den entsprechenden
Feuchtigkeitsgehalt, den Zustand seines Säure-Schutz-Mantels und
Fettschutzfilms sowie über die Lichttreppe, ob UV-A / B
Unverträglichkeiten vorliegen. Aufgrund dieser Informationen werden
individuelle Behandlungen (Salzbäder, Salzduschen, UV-Therapie im Hause,
UV-Therapie auf der Therapiedüne) und Hauttherapeutika (Salben, Cremes,
Umschläge etc.) erst möglich.
Sonnenschutz lernen
Zu
dem Therapiebaustein der medizinischen Behandlung kommt der adäquate
Umgang mit Sonnenschutz hinzu, der Betroffene soll lernen, welche
Schutzmaßnahmen und welches Maß an Sonne er verträgt. Denn das
Sonnenlicht ist essentiell für die körperliche Gesundheit. Ergänzt wird
dieses Angebot durch medizinische Kosmetik, diese setzt dort an, wo die
Akutbehandlung endet, und ermöglicht den Betroffenen, individuell auf
sie zugeschnittene Pflegerituale, Gesichtsmassagen etc. zu erlernen und
adäquate Kosmetik aufzulegen. Hinzu kommt die Ernährungsberatung. Der
Hautbetroffene erhält auf diese Weise individuell die Möglichkeit, seine
eigenen Trigger-Faktoren zu identifizieren und einen passenden Umgang
mit diesen zu erlernen. Psychologische Gespräche unterstützen Betroffene
im Prozess des Annehmens einer chronischen Hauterkrankung, um auf diese
Weise Rückzugstendenzen und depressiven Verstimmungen vorzubeugen. Auch
der Umgang mit Stigmatisierungen wird erlernt.
Ganzheitliches Vorgehen
Das
dermatologische Behandlungskonzept in der Nordseeklinik auf Sylt setzt
also auf ein ganzheitliches Vorgehen, das körperliche, geistige und
seelische Prozesse des Betroffenen miteinbezieht. Der Fokus liegt nicht
auf der Pathogenese, also auf dem, was krank „macht“, sondern auf der
Salutogenese, also dem, was gesund „macht“ (vgl. A. Antonovsky). Dabei
soll das eigene Kohärenz-Gefühl über schwierige Zeiten im Leben eines
Menschen weiter helfen, d.h. Umstände sollen zu verstehen, Situationen
handhabbar und das Leben sinnstiftend erlebt werden. Hier geht es also
um Prozesse im Inneren des Hautbetroffenen, der sich mit Fragen
auseinandersetzt, wie es zu seiner Erkrankung kommt, wie er selbst als
Gesundheitsmanager Einfluss auf seine Gesundheit nehmen kann und wie
seinem Leben trotz chronischer Erkrankung Sinn bzw. Bedeutung zukommt.
T.
D. Petzold verwies dann auf die Bedeutsamkeit der Resonanz des Menschen
zu seiner Umwelt, wie also beispielsweise der Hautbetroffene mit seiner
physischen Umwelt, seinen Mitmenschen, der Kultur um ihn und dem
globalen Rahmen in Verbindung steht. Der stationären
Rehabilitation auf Sylt wird also ein bio-psycho-soziales Modell
zugrunde gelegt, das auf möglichst gesunde Teilhabe am Leben fokussiert.
Dem multimodalen Team kommt auf diese Weise eine Lotsenfunktion zu,
damit der Hautbetroffene sich zum eigenen Gesundheitsmanager entwickelt
und nach Rückkehr an den Heimatort im Alltag zu Hause seine
Lebensqualität trotz chronischer Hauterkrankung positiv beeinflussen
kann. Und genau das ist es, was Außenstehende bei der Rückkehr aus
einer stationären Rehabilitation an einem Hautbetroffenen erkennen
können. Schon Henri Matisse äußerte treffend: „Es gibt überall Blumen
für den, der sie sehen will.“
Dipl.-Psych. Sonja Dargatz
Dr. med. Norbert Buhles
Ein
Bericht über ein Gespräch zwischen Dr. Norbert Buhles, Chefarzt der
Dermatologie in der Asklepios Nordseeklinik Sylt, und Dipl.-Psych. Sonja
Dargatz für die Mitgliedermagazine hautfreund, ROSAZEA Journal und
vitiligo information