Stationäre Rehabilitation für Betroffene von Vitiligo in der Asklepios Nordseeklinik auf Sylt
Dipl.-Psych. Sonja Dargatz Dr. med. Norbert Buhles
Ein Bericht über ein Gespräch zwischen Dr. Norbert Buhles, Chefarzt der Dermatologie in der Asklepios Nordseeklinik Sylt, und Dipl.-Psych. Sonja Dargatz
Werfen wir einen kurzen Blick in die aktuelle Fernsehlandschaft…Dann entdecken wir ganz unterschiedliche TV-Formate, die einen Vorher- und Nachher-Vergleich ermöglichen…Menschen werden umgestylt, Kleiderschränke auf den Kopf gestellt, ganze Häuser umgebaut etc… Der Zuschauer wird dabei auf eine digitale Reise mitgenommen in das Mögliche, Bessere, Schönere, was das Aussehen von Menschen oder Häusern betrifft. Das ist das Faszinierende an diesen Sendungen. Eine ähnliche Faszination erlebt man als Außenstehender, wenn Menschen von einer stationären Rehabilitationsmaßnahme nach Hause kehren. Gerade chronisch Hauterkrankte sind nach außen von ihrer Erkrankung gekennzeichnet, wenn sie eine Reha-Maßnahme beginnen. Drei bis fünf Wochen später zeigt sich eine deutliche Veränderung im Hautbild, im Leidensdruck und im eigenen Gesundheitsmanagement. Wie gelingt das einer dermatologischen Reha-Klinik? Die Asklepios Nordseeklinik liegt am Rande von Westerland, die sog. Therapiedüne trennt die Klinik und den Strand, sodass nur ein kurzer Fußweg direkt zur Nordsee-Brandung führt. Chronisch Hauterkrankten ermöglicht die Nordseeklinik sowohl Akutbehandlungen im Krankenhaus als auch Rehabilitationsbehandlungen. Auf Antrag ist auch eine Rehabilitationsbehandlung in unmittelbarer Folge auf die Krankenhausbehandlung möglich (sog. Eiltheilverfahren). Während es für Betroffene mit Neurodermitis oder Psoriasis bekannt ist, stationäre Rehabilitationsleistungen beantragen und in Anspruch nehmen zu können, ist dies für Vitiligo-Betroffene bisher weniger gängig, noch viel zu oft werden diese Erkrankungen als kosmetische Probleme abgetan. Die deutsche Vitiligo Leitlinie ist noch nicht veröffentlicht, in der deutschen Rosazea Leitlinie werden derzeit weder psychologische Hilfen noch stationäre Rehabilitationsleistungen erwähnt. In der Regel kommt deshalb der Vitiligo-Betroffene zur stationären Rehabilitation, indem im Reha-Antrag eine andere Erstdiagnose (z.B. Atemwegserkrankungen, orthopädische Erkrankungen etc.) gestellt und die Hauterkrankung als Zweitdiagnose angegeben wird. Unabhängig davon, ob der Betroffene nun an Neurodermitis, Rosazea oder Vitiligo leidet, profitieren doch alle vom Reizklima, das am Standort der Nordseeklinik vorliegt. Die hauseigene Pollenfalle auf dem Dach des Gartenhauses ermöglicht, den Gehalt von Pollen oder Sporen in der Luft genauestens zu erfassen, und verdeutlicht, dass die Nordseeklinik in einem Gebiet angesiedelt ist, das kaum Schadstoffe oder Allergene aufweist. Von der natürlichen Balneo-Photo-Therapie auf der Therapiedüne profitieren vor allem die Neurodermitiker. Vom Sport und Spaziergängen am Strand profitieren auch die Vitiligo-Betroffenen, denn für diese erweist sich das Reizklima als Trainingslager für ihre Haut, gerade im Hinblick auf den Umgang mit Sonne. Betroffene schildern immer wieder ihre Sorge, ihrer betroffenen Haut zu viel Reizklima zuzumuten. Gerade deshalb stellen für Vitiligo-Betroffene das Frühjahr und der Herbst sichere Zeitfenster für eine stationäre Rehabilitation dar. Im Rahmen der medizinischen Hautbehandlung sind sowohl Allergie- als auch Funktionstestungen möglich. Der Betroffene erfährt also über Messungen an seiner Gesichtshaut den entsprechenden Feuchtigkeitsgehalt, den Zustand seines Säure-Schutz-Mantels und Fettschutzfilms sowie über die Lichttreppe, ob UV-A / B Unverträglichkeiten vorliegen. Aufgrund dieser Informationen werden individuelle Behandlungen (Salzbäder, Salzduschen, UV-Therapie im Hause, UV-Therapie auf der Therapiedüne) und Hauttherapeutika (Salben, Cremes, Umschläge etc.) erst möglich.Zu dem Therapiebaustein der medizinischen Behandlung kommt der adäquate Umgang mit Sonnenschutz hinzu, der Betroffene soll lernen, welche Schutzmaßnahmen und welches Maß an Sonne er verträgt. Denn das Sonnenlicht ist essentiell für die körperliche Gesundheit. Ergänzt wird dieses Angebot durch medizinische Kosmetik, diese setzt dort an, wo die Akutbehandlung endet, und ermöglicht den Betroffenen, individuell auf sie zugeschnittene Pflegerituale, Gesichtsmassagen etc. zu erlernen und adäquate Kosmetik aufzulegen. Hinzu kommt die Ernährungsberatung. Der Hautbetroffene erhält auf diese Weise individuell die Möglichkeit, seine eigenen Trigger-Faktoren zu identifizieren und einen passenden Umgang mit diesen zu erlernen. Psychologische Gespräche unterstützen Betroffene im Prozess des Annehmens einer chronischen Hauterkrankung, um auf diese Weise Rückzugstendenzen und depressiven Verstimmungen vorzubeugen. Auch der Umgang mit Stigmatisierungen wird erlernt.Das dermatologische Behandlungskonzept in der Nordseeklinik auf Sylt setzt also auf ein ganzheitliches Vorgehen, das körperliche, geistige und seelische Prozesse des Betroffenen miteinbezieht. Der Fokus liegt nicht auf der Pathogenese, also auf dem, was krank „macht“, sondern auf der Salutogenese, also dem, was gesund „macht“ (vgl. A. Antonovsky). Dabei soll das eigene Kohärenz-Gefühl über schwierige Zeiten im Leben eines Menschen weiter helfen, d.h. Umstände sollen zu verstehen, Situationen handhabbar und das Leben sinnstiftend erlebt werden. Hier geht es also um Prozesse im Inneren des Hautbetroffenen, der sich mit Fragen auseinandersetzt, wie es zu seiner Erkrankung kommt, wie er selbst als Gesundheitsmanager Einfluss auf seine Gesundheit nehmen kann und wie seinem Leben trotz chronischer Erkrankung Sinn bzw. Bedeutung zukommt. T. D. Petzold verwies dann auf die Bedeutsamkeit der Resonanz des Menschen zu seiner Umwelt, wie also beispielsweise der Hautbetroffene mit seiner physischen Umwelt, seinen Mitmenschen, der Kultur um ihn und dem globalen Rahmen in Verbindung steht. Der stationären Rehabilitation auf Sylt wird also ein bio-psycho-soziales Modell zugrunde gelegt, das auf möglichst gesunde Teilhabe am Leben fokussiert. Dem multimodalen Team kommt auf diese Weise eine Lotsenfunktion zu, damit der Hautbetroffene sich zum eigenen Gesundheitsmanager entwickelt und nach Rückkehr an den Heimatort im Alltag zu Hause seine Lebensqualität trotz chronischer Hauterkrankung positiv beeinflussen kann. Und genau das ist es, was Außenstehende bei der Rückkehr aus einer stationären Rehabilitation an einem Hautbetroffenen erkennen können. Schon Henri Matisse äußerte treffend: „Es gibt überall Blumen für den, der sie sehen will.“